Die Initiative für Gewerbevielfalt setzt sich
für eine differenzierte Gewerbestruktur in
Deutschlands Städten und Gemeinden ein.
Boris Hedde ist seit 2009 Geschäftsführer beim IFH Köln (Institut für Handelsforschung). Er ist „Markt-, Kunden- und Standortversteher“ und im Rahmen seiner Arbeit unterstützt er Unternehmen, Städte und öffentliche Institutionen rund um Fragen zum Strukturwandel und zur Digitalisierung im Handelsumfeld. Seit kurzem ist er Experte unserer „Initiative für Gewerbevielfalt“ powered by Das Telefonbuch.
Herr Hedde, welche Auswirkungen hat das Corona-Virus speziell auf den lokalen Einzelhandel?
Boris Hedde: Für viele Unternehmen sichern die Monate März, April und Mai weit mehr als 25% des Jahresumsatzes. Gerade im Bereich von Saisonware, Frühjahrskollektionen etc. stellt die Konsumzurückhaltung durch die Krise und natürlich der Shutdown in der Innenstadt eine große existenzbedrohende Gefahr dar. Dies endet nicht mit der Wiedereröffnung der Innenstadt und wird nachhaltige Veränderungen nach sich ziehen.
Welche Maßnahmen des lokalen Gewerbes fanden Sie kreativ bzw. erwähnenswert? Was ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Boris Hedde: Es hat sich gezeigt, wie wichtig die Sammlung und Pflege von Kundendaten ist. Wer in der Krise auf einen Adressliste zurückgreifen kann, ist im Vorteil die Kundenbindung aufrecht zu erhalten. Für mich war es ein schönes Zeichen zu sehen, dass der Handel in Deutschland lebt. Ein Beispiel ist eine kleine Boutique in Köln für Kinderschuhe. Schon am ersten Tag des Shutdowns ging ihren Kunden eine Email zu mit dem Angebot, dass Eltern zuhause die Füße auf einem DIN4 Blatt umranden sollten und nach Angabe des Farbwunsches des Kindes und Zusendung per WhatsApp wurden digital Angebote gemacht. Es gab generell eine Reihe von emotional ausgerichteten Aktivitäten, die auch in den sozialen Medien Anklang fanden.
Welche weiteren Auswirkungen für den lokalen Einzelhandel (global gesehen) werden aus Ihrer Sicht erwartet?
Boris Hedde: Die ersten Kundenanalysen, die wir umgesetzt haben, weisen aus, dass eine Affinität besteht, den lokalen Handel zu stärken. Hier bieten sich vielleicht neue Chancen für eine weniger auf Effizienz als vielmehr persönliche Ansprache ausgerichtete Handelsstrategien. In jedem Fall ist sichtbar, dass viele Kund*innen durch Corona stärker auf den Onlinehandel konditioniert wurden und nach deren eigenen Aussagen damit auch das zukünftige Einkaufsverhalten beeinflusst wird. Entsprechend gehen wir von einem weiteren Shift in Richtung Onlinekonzepte aus.
Empfinden Sie die Maßnahmen der Politik zielgerichtet? Was würden Sie von der Politik erwarten?
Boris Hedde: Aus unserer Sicht hat die Regierung vor allem schnell und damit richtig gehandelt. Jetzt gilt es den richtigen Weg zurück in die Normalität zu finden. Hier glauben wir auf Basis unserer Analysen, dass es unterschiedliche Wege gibt und eine zu frühe Festsetzung auf eine Metrik wie die QM-Zahl vermieden werden sollte. Das Kundenverhalten und der Wunsch der Kund*innen aktiv mitwirken zu wollen, sollte genutzt werden.
Wenn Sie eine Kernaussage machen müssten: Wie lautet Ihr zusammenfassendes Statement?
Boris Hedde: Wir haben aktuell die größte Herausforderung im Handel seit etwa 100 Jahren. Das IFH wurde 1929 gegründet, um Lösungen aus der damaligen großen Finanzkrise für den Handel zu finden. Heute sehen wir unsere Zielsetzung in einem neuen Licht wiedergeboren. Die Vergangenheit und Entwicklung seither haben gezeigt, dass es in allen Lagen und Situationen Wege in eine erfolgreiche Zukunft gibt. Entsprechend sind wir auch heute überzeugt, dass Corona nicht das Ende des städtischen, stationären Handels ist, sondern neue Konzepte und Formate hervorbringen wird.
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Über uns:
Die Initiative für Gewerbevielfalt setzt sich für den lokalen Einzelhandel und inhabergeführte Kleingewerbe in Deutschlands Städten und Gemeinden ein.
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