Nachrichten rund um die Initiative

7. Mai 2020

„Wichtig ist, Customer Journeys zu verstehen und diese mit agglomerativen Strukturen zu beantworten.“

Stephan Fetsch leitet die Sektoren Handel und Konsumgüter bei KPMG Deutschland. Er betreut seit mehr als 20 Jahren Handelsunternehmen für KPMG, im Bereich Food wie auch im Non Food. Seit kurzem ist er Experte der Initiative für Gewerbevielfalt powered by Das Telefonbuch. Im Interview bezieht er Stellung zu den Einflüssen durch das Coronavirus auf den Einzelhandel.

Welche Auswirkungen hat das Coronavirus speziell auf den lokalen Einzelhandel?

Stephan Fetsch: Lokal im Sinne von nur ein Laden: Hat kaum Chancen, sich den Folgen von Corona zu entziehen. Zudem nicht die Ressourcen und den Zugang zu Vermittlern, um sich strukturiert Hilfe seitens des Arbeitsamts, des Staates und/oder der Banken zu organisieren. Die Menschen haben durch Corona die Chance und den Zwang, neue Bewegungs-, Handlungs- und Konsummuster einzustudieren. Die Frage ist, was hiervon bleiben wird. Die Journey des Konsumenten, die Dinge, womit er seine Zeit verbringt und wie er seine Kaufkraft allokiert, wird durch Corona nochmals deutlich verändert werden. Die jetzt auftretenden Verschiebungen schwächen aus meiner Sicht den lokalen Handel auf der physischen Fläche.

Welche Maßnahmen des lokalen Gewerbes fanden Sie kreativ bzw. erwähnenswert? Was ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Stephan Fetsch: Einlassbeschränkungen über limitierte Einkaufswagen oder Einkaufskörbe. Zudem ein Desinfizieren der Einkaufswagen vor Übergabe an den Kunden. Besonders gut hierbei, weil man es zur persönlichen Ansprache / Begrüßung genutzt hat: dm.

Welche weiteren Auswirkungen für den lokalen Einzelhandel (global gesehen) werden aus Ihrer Sicht erwartet?

Stephan Fetsch: Diverse Geschäftsaufgaben, insbesondere im Bereich Non Food. Die Kunden werden vermehrt bei Online-Bestellungen bei einem breiteren Kanal-Mix bleiben. Meines Erachtens werden die lokalen Händler gut aus der Krise kommen, die nicht nur isoliert ein überzeugendes Angebot haben, sondern die gemeinsam mit anderen Händlern als Agglomeration eine besondere Attraktivität für den Kunden darstellen. Der lokale Händler ist nicht bzw. nur bedingt isoliert attraktiv, sondern insbesondere dann, wenn nebenan noch weitere Angebote sind, die den Kunden ebenfalls ansprechen. Es geht darum, Nahversorgungszentren zu schaffen, weiter aufzuwerten. Hierzu gehören basale Dienstleistungen (Bank, Gesundheit / Fitness, Bank & Versicherung) und Bereiche für Sozialität (Gastronomie, Treffpunkte mit Anziehungskraft wie Plätze, Grünbereiche etc.). Gleiches gilt in noch höherem Maße für Städte: Die Kunden werden die Innenstadt nur dann zu Ihrer „Destination“ machen, wenn Erlebnis und Angebot stimmen. Event und Entertainment sind hier sehr wichtige Punkte. Handel wird daher immer weniger ein isoliertes Geschäft und immer mehr eine Ökosystemaktivität werden.

Was würden Sie von der Politik erwarten?

Stephan Fetsch: Ein klares Bekenntnis zu einer neuen, digital begründeten Stadtentwicklung mit agglomerativen Zielstrukturen. Digitale Analyse von Kundenprofilen und Bürgerbewegungen durch die Städte. Städte-Apps, um mit dem Bürger gemeinsam an der Realisation seiner gewünschten Angebots- und Stadtstrukturen zu arbeiten und ihn besser zu verstehen. Die Politik muss damit wiederum zu einer Ordnungspolitik zurückfinden, die zugleich aber auch Wurzeln in der Umsetzung hat. Die Politik sollte als Plattform idealerweise auch als Initiator lokaler Ökosysteme fungieren. Neuausrichtung und Kostenlosigkeit des ÖPNV und damit eine bewusste Stützung von Agglomerationsstrukturen lokal und regional. Gegebenenfalls städtische Auslieferungsservices (gekoppelt mit der letzten Meile vom Online-Handel) oder lokale / regionale Paketmonopole, in die der lokale Handel seine Verkäufe einspeisen kann und damit wie Online dem Kunden die letzte Meile erspart. Aber mit Effizienz durch Bündelung aller Lieferungen in einem Auslieferungskanal.

Wenn Sie eine Kernaussage machen müssten: Wie lautet Ihr zusammenfassendes Statement / Ihre These?

Stephan Fetsch: Der flächenbasierte Handel wird für den Konsumenten weniger und weniger bedeutsam. Damit wird eine Flächenreduktion einhergehen. Wichtig ist, Customer Journeys zu verstehen und diesen mit agglomerativen Strukturen zu beantworten. Dafür brauchen wir eine neue Kooperationsform von Handel, Handelsinteressen und Politik.

Eine zusätzliche Hilfestellung für gewerbliche Anbieter wie auch für Verbraucher zum Thema „Coronavirus“ gibt es hier.


Über uns:
Die Initiative für Gewerbevielfalt setzt sich für den lokalen Einzelhandel und inhabergeführte Kleingewerbe in Deutschlands Städten und Gemeinden ein.
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