Die Initiative für Gewerbevielfalt setzt sich
für eine differenzierte Gewerbestruktur in
Deutschlands Städten und Gemeinden ein.
Viele Handwerksbetriebe sehen die Notwendigkeit nicht, in ihre digitale Sichtbarkeit zu investieren. Und auch die digitale Organisation und Kommunikation wird von den meisten Unternehmen leider noch vernachlässigt. Dabei ist es allerhöchste Zeit, sich neu aufzustellen, sagt Marketing-Beraterin Julia Greven, die seit 2018 unsere Initiative für Gewerbevielfalt als Expertin unterstützt.
Frau Greven, den meisten Handwerksbetrieben geht es gut – Kunden müssen teilweise monatelang warten, wenn sie denn überhaupt einen Handwerker finden, der ihren Auftrag annimmt.
Julia Greven: Ja, das stimmt, ich kenne einige Betriebe, die zurzeit absichtlich nicht werben, weil ihre Auftragsbücher voll sind und sie neue Kunden gar nicht mehr annehmen können. Gerade in den jetzigen, für Handwerker „Goldenen Zeiten“ sollten die Firmen aber in Marketing investieren. Denn was, wenn sich die Zeiten ändern? Und die Zeiten ändern sich in unserer globalisierten und vernetzten Welt rasant schnell. Wer sich anschickt, den Schirm erst zu kaufen, wenn es zu regnen anfängt, riskiert nass zu werden. Und in Zeiten des Klimawandels wird es nicht mehr nur einfach regnen, sondern richtig schütten.
Und wie bereiten sich Betriebe am besten darauf vor?
Julia Greven: Nicht nur ein kontinuierliches Marketing ist die Grundlage für Erfolg, es geht auch darum, die richtigen Kanäle für die Vermarktung des eigenen Angebots zu wählen. Denn mit nahezu jedem Generationswechsel geht auch ein Wandel in anderen Bereichen einher. Und nie war dieser so gravierend und umfassend wie jetzt. Neue Kundengruppen, andere Kommunikationsmittel und Formen, veränderte Konsummentalität, neue Bedürfnisse, andere Gewohnheiten und auch viel mehr Wettbewerb. Da ist es zwingend notwendig, sich neben der beruflichen Aus- und Weiterbildung auch mit Marketing auseinanderzusetzen. Marketing ist Chefsache. Es geht darum, den Zugang zu seinen Kunden und Märkten nicht zu verlieren. Wer die Entwicklungen aufnimmt und sich anpasst, hat auch die Chance, weiter erfolgreich zu agieren.
Hat das Handwerk mit den gleichen Wettbewerbsveränderungen zu kämpfen wie der stationäre Handel?
Julia Greven: Auch im Bereich der Handwerksdienstleistungen gewinnen Plattformen mehr und mehr an Relevanz. Zur kurzen Erläuterung: Plattformen sind sozusagen digitale Marktplätze. Sie verknüpfen verschiedene Marktakteure und bringen Angebot und Nachfrage so zusammen, dass diese untereinander agieren, aber eben auch verglichen werden können, wobei der Betreiber der Infrastruktur kontrollierend und regulierend in das Geschehen eingreifen und es steuern kann. Mächtigstes Beispiel: Amazon. Aber nicht nur Amazon bietet mit „Home Services“ bereits Handwerksdienstleister an, sehr erfolgreich sind auch Plattformen wie MyHammer, HomeAdvisor, Houzz, 360travaux in Frankreich oder Werkspot in den Niederlanden. Und das ist erst der Anfang, hier wird sich noch einiges tun.
Besonders für Kunden ist das natürlich praktisch und daher auch so erfolgreich. Für den Handel und eben auch für den Dienstleister bedeutet es mitunter, sich in eine enorme Abhängigkeit zu begeben. Ob man will oder nicht: Da, wo Preise und Leistungen verglichen werden können, wird der Konsument und Kunde sie vergleichen. Und eines steht fest: Es wird immer jemanden geben, der etwas günstiger anbieten kann. Je weniger Markenstrahlkraft ein Angebot hat, desto mehr muss der Anbieter sich dann auf den brutalen Preiswettbewerb einlassen.
Was können Handwerksbetriebe konkret tun, um ihre digitale Sichtbarkeit zu optimieren und damit potenzielle Kunden besser zu erreichen?
Julia Greven: Viele Betriebe, die ich kenne, betreuen die ein oder andere Hausverwaltung plus bestenfalls einen festen Kundenstamm und sehen nicht die Notwendigkeit, sich auf Online-Plattformen zu präsentieren, wo sie bewertet und im Idealfall weiterempfohlen werden können. Aber was, wenn ein junger neuer Geschäftsführer der Hausverwaltung Handwerksbetriebe im Internet vergleicht oder die Stammkunden umziehen oder ins Pflegealter kommen? Die nachrückende Kundschaft wandert zunehmend ab: und zwar ins Netz. Wer sich nicht rechtzeitig darum kümmert, die wichtigsten digitalen Kanäle und Angebote für seine Unternehmensbewerbung und Sichtbarmachung zu nutzen, wird es langfristig schwer haben, neue Kunden zu gewinnen. Diesen Rückstand gegenüber der Konkurrenz in schlechteren Zeiten aufholen zu müssen, wird dann sowohl zeitlich als auch finanziell schwer oder gar unmöglich. Jeder, der erfolgreich agieren möchte, sollte sich daher den Leitsatz von Jeff Bezos zu eigen machen: „It’s always Day One.“ Wollen Betriebe im harten Wettbewerb überleben, müssen sie dauerhaft mit Engagement und Weitsicht arbeiten.
Dazu gehört natürlich auch, sich einen guten Ruf zu erarbeiten und diesen zu halten. Denn über schlechte Arbeit und mangelnden Service lassen sich die Kunden auf Google, Facebook und Co. auch dann aus, wenn der jeweilige Betrieb dort gar nicht vertreten ist. Ein optimaler Service bedeutet Zuverlässigkeit und Freundlichkeit sowie gerade im Handwerk: Ordnung, Höflichkeit und Sauberkeit. Und zwar jeden Tag und bei jedem Auftrag. Wer hier punktet, betreibt nach der Devise „Tue Gutes und rede darüber“ nicht nur Eigenwerbung, sondern motiviert auch seine Kunden, positiv über den Betrieb zu berichten – sei es auf der eigenen Unternehmenswebsite oder auf anderen relevanten Online-Portalen. Es ist erwiesen, dass öffentliche Kundenempfehlungen und gute Bewertungen den Verkauf fördern. Wenn man es gut macht, kann man sogar eine richtige Fangemeinde aufbauen.
All diese Maßnahmen sind zudem auch wichtig, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Je sichtbarer und beliebter ein Betrieb auf den verschiedenen digitalen Kanälen ist, desto größer wird auch seine Attraktivität als potenzieller Arbeitgeber. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels spielt der Faktor „Image“ also eine große Rolle.
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