Die Initiative für Gewerbevielfalt setzt sich
für eine differenzierte Gewerbestruktur in
Deutschlands Städten und Gemeinden ein.
Marken brauchen eine Haltung. Vielen Geschäftsauftritten fehlt es an individuellem Charakter und Persönlichkeit, sagt Julia Greven. Gerade lokale Einzelhändler könnten dieses Potenzial viel besser nutzen, um erfolgreich im Kampf mit Massenware und Online-Riesen bestehen zu können.
Frau Greven, Sie sind in einer Unternehmerfamilie groß geworden und selbst lange Jahre in der Geschäftsleitung eines Handelsunternehmens tätig gewesen. Somit wissen Sie, wie schwierig es sein kann, als Gewerbetreibender zu bestehen. Ihr Familienunternehmen ist jedoch ein Beispiel dafür, wie man es trotz Online-Riesen und Massen-Billigware schaffen kann…
Julia Greven: Ja, aber nur durch Mut zur Veränderung und hohe Investitionsbereitschaft. Meine Familie führte von 1838 bis Anfang der 1980er Jahre eine Holzhandlung in Köln. Damals kaufte man sein Holz noch im Fachhandel. In den 60er-Jahren kippte das Ganze dann: Nicht nur in der Lebensmittelbranche haben große Supermärkte den Einzelhandel Stück für Stück ersetzt. In unserem Fall waren es die großen Baumärkte, die den Baustoffhandel in großer Manier übernahmen. Mein Vater, damals noch in der urururgroßväterlichen Holzhandlung tätig, realisierte die Chancenlosigkeit und so wurde das Geschäft in der ursprünglichen Form 1980 beendet. Ihm wurde klar, dass es eine Nische brauchte, die der Markt bis dahin noch nicht bediente. Und so gründete er eine neue Firma, welche sich auf die Maßanfertigung von Stauraum spezialisierte.
Die Nische waren also Kleiderschränke?
Julia Greven: Nicht einfach Kleiderschränke, die gab es ja schon, sondern ein Systemmöbel nach Maß. Also weder industriell ‚von der Stange‘ gefertigt noch einzeln vom Schreiner hergestellt: Der Schlüssel zum Erfolg war die Abgrenzung von der Massenware hin zur Spezialisierung und Individualisierung. Dazu kam die individuelle und fachkundige Beratung – meines Erachtens nach immer noch eines der Kernthemen im Handel. Heute hat man als Händler schon verloren, wenn man einfach nur „verkauft“. Wenn Kunden nur etwas kaufen möchten, können sie das online und zwar 24/7.
Stichwort Internet. Ist die Digitalisierung Ihrer Meinung nach der Grund für das Geschäftesterben?
Julia Greven: Nein, das sehe ich nicht so. Zwei wesentliche Punkte sind die zunehmende, vor allem lokale, Marktsättigung und die Unbeweglichkeit vieler Unternehmen. Ende der 60er Jahre veränderten sich Rollenbilder sowie Lebens- und Arbeitsweisen. Schon hierauf haben sich in meinen Augen viele der heute noch bestehenden Unternehmen von damals nicht richtig eingestellt. Die Digitalisierung ist nur ein weiterer, sehr bedeutender Faktor.
Das heißt für heutige Handelsunternehmen?
Julia Greven: Das Kernproblem sehe ich darin, dass Unternehmen nicht genug über den eigenen Tellerrand schauen. Sie verharren in alten Strukturen und Gewohnheiten, altern im Tagesgeschäft vor sich hin und verlieren den Anschluss. In Zeiten des Onlinehandels sind Kunden absolut unabhängig von Zeit, Raum und Ort geworden. So muss man beispielsweise nicht mehr – wie noch in meiner Jugend – in die Videothek fahren, um Filme zu gucken oder in die Stadt, um einkaufen zu können. Wer einer Generation, die mobil, vernetzt und absolut individualistisch ist, in diesen Zeiten dann noch Geschäftsmodelle aus den 50er oder auch 90er Jahren anbietet, wird wenig Chancen haben, zu überleben.
Und die Lösung?
Julia Greven: Händler müssen heute mehr denn je um ihre Kunden werben. Die Digitalisierung bietet jedem rein lokal agierenden Händler aber auch großartige Chancen, neue Zielgruppen zu erreichen und Prozesse effizienter zu gestalten. Eines bleibt jedoch gleich: Digitalisierung hin oder her, es braucht in jedem Falle ein eigenes charakteristisches und für die Zielgruppe attraktives Erscheinungsbild.
Es geht also um den Wiedererkennungswert…
Julia Greven: Ja, klar. Ein großer Fehler ist es, allen gefallen zu wollen! Ob analog oder digital, aus der Masse abheben kann man sich nur durch eine Haltung, durch einen eigenen Charakter. Ich zitiere da gern einen der erfolgreichsten Unternehmer unserer Zeit, Richard Branson: „Persönlichkeit ist entscheidend für den Erfolg – sowohl für Marken als auch für Menschen.“ Es ist wichtig, eine klare Haltung zu zeigen. Polarisieren Sie! Es geht nicht nur um Optik und Design. Ein Logo macht noch keine Marke. Es geht um Persönlichkeit, Individualität und Qualität. Der Kern des Wortes sagt es schon: „Marke“, also auch „merken“, „markieren“, „bemerken“, „bemerkenswert“. Eine Marke muss einzigartig sein und damit ein Original. Sie muss mit Leben erfüllt und dauerhaft gepflegt und entwickelt werden. Kunden sollen an Sie und Ihr Geschäft, Ihr Angebot denken und ein gutes Gefühl damit verbinden. Begeisterung, Zufriedenheit, Inspiration, besonderer Service, gute Leistung – Werte wie diese. Gerade Einzelhändler könnten dieses Potenzial viel besser nutzen, um erfolgreich im Kampf mit Massenware und global agierenden Online-Riesen zu bestehen.
Über uns:
Die Initiative für Gewerbevielfalt setzt sich für den lokalen Einzelhandel und inhabergeführte Kleingewerbe in Deutschlands Städten und Gemeinden ein.
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