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25. März 2020

Die Corona-Pandemie: Welche Überlebenschancen haben Einzelhändler?

Teil II des Interviews mit Professor Dr. Gerrit Heinemann zu den Auswirkungen der Corona-Krise für den lokalen Einzelhandel. Er ist Experte unserer Initiative und Leiter des eWeb Research Center sowie Professor für Handel an der Hochschule Niederrhein. 

Die Corona-Pandemie trifft den lokalen Einzelhandel besonders hart. Wie könnte Ihrer Meinung nach eine erfolgreiche Überbrückungsstrategie für die aussehen?

Heinemann: Viele Einzelhändler sind wie paralysiert. Es mag einige geben, die sich an Durchhalteparolen klammern, die sich sagen, die Krise hört nach dem 20. April auf. Dabei gibt es nach wie vor einen echten Bedarf, den man decken kann. Wer wirklich Unternehmer ist, wird sich hinsetzen und überlegen: Was kann ich jetzt machen? Schließlich hat die Corona-Pandemie nicht das Unternehmertum ausgesetzt. Man muss natürlich zwischen Filialketten und lokalen, nicht filialisierten Händlern unterscheiden. Letzteren fehlt häufig die Online-Präsenz, die filialisierte Händler zu großen Teilen haben. Jene Händler, die ich aus diesem Bereich kenne, sind derzeit mit Hochdruck dabei, ihren Webauftritt auszubauen und den Online-Handel zu forcieren. Hier sollten sich lokale Einzelhändler keineswegs auf das Argument zurückziehen, dass Online sowieso gewinnt und für sie bereits alles gelaufen ist. Der kurzfristige Einstieg in den Marktplatz-Handel kann hier beispielsweise eine Chance sein, das Geschäft weiterzuführen und die Überbrückungsphase produktiv zu gestalten, zumal eBay pragmatische Hilfe anbietet. Hier bietet sich dann tatsächlich eine zweite Option zur Stilllegung des Geschäfts: Sie nutzen die kommenden drei bis vier Wochen noch voll aus, um sich dann erst einzuigeln und die weitere Entwicklung abzuwarten.

Wer wirklich Unternehmer ist, wird sich hinsetzen und überlegen: Was kann ich jetzt machen? Schließlich hat die Corona-Pandemie nicht das Unternehmertum ausgesetzt.

Kennen Sie erfolgreiche Beispiele?

Professor Dr. Gerrit Heinemann ist Experte unserer Initiative und Leiter des eWeb Research Center sowie Professor für Handel an der Hochschule Niederrhein.

Heinemann: Ein inhabergeführtes Unternehmen in unserer Region hat kurzfristig sein Geschäftsmodell umgestellt, vom Nobel-Restaurant zum Lieferservice. So setzt das Restaurant nun ganz auf die Belieferung seiner Stammkunden. Das setzt natürlich vor allem eines voraus: Ich muss wissen, wer meine Kunden sind und wie ich sie erreiche. Hier gilt es, kreativ zu sein und die Möglichkeiten auszuschöpfen. Das kann ich beispielsweise tun, indem ich  – ganz simpel – zum Telefonhörer greife und meinen Kunden, die in der Corona-Isolation sitzen, anbiete: „Wir sind da, wir können helfen.“ Die eigenen Mitarbeiter können sich in der Kurzarbeit organisieren und den Kontakt und die Belieferung übernehmen. Oder ich nutze dafür ein outgesourctes Callcenter. Von diesem Lieferservice-Modell ist der Non-Food-Bereich nicht ausgenommen.

Wie sieht es mit Hilfe von außen aus? Kann das Maßnahmenpaket der Bundesregierung Unternehmern wirklich helfen?

Heinemann: Gerade jetzt ist Kreativität, ist Unternehmertum gefragt. Deswegen stört es mich, wenn in erster Instanz nach staatlicher Hilfe geschrien wird. Die finanzielle Förderung allein hilft keinem Betrieb beim Überleben. Erst, wenn die richtigen Schritte eingeleitet sind, kann Hilfe von außen überhaupt greifen. Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung ist ein wirklich beispielloses Unterstützungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. Es beantwortet alle Fragen, die ich an die Politik in genau dieser Situation habe. Vor allem das Aussetzen der Insolvenzmeldepflicht ist ein entscheidender Punkt. Unternehmer können Zahlungen aussetzen, ohne dafür verklagt zu werden, wie es gängige Praxis in harten Insolvenzverfahren ist. Schließlich wird Insolvenzverschleppung regulär als Kapitalverbrechen geahndet. Auch das Kurzarbeitsgeld ist eine pragmatische Lösung, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Mit diesen finanziellen Hilfen bzw. Hilfestellungen ist die radikale Vollbremsung möglich, die jetzt für einige Händler unausweichlich wird. Wenn ich als Einzelhändler mutig genug bin, ermöglichen mir diese Maßnahmen, meine Fixkosten zu senken und die Dürreperiode zu überstehen.

Hier könnt ihr Teil I des Interviews lesen.
Weitere spannende Aussagen zum Thema „Das Ende der Gewerbevielfalt?“ von Professor Dr. Heinemann gibt’s übrigens auch im Whitepaper. Zum Download.


Über uns:
Die Initiative für Gewerbevielfalt setzt sich für den lokalen Einzelhandel und inhabergeführte Kleingewerbe in Deutschlands Städten und Gemeinden ein.
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